Verkehrte Welt

Gastgeber wollen keine Tourismusförderung

Machen wir mal ein Gedankenexperiment. Die Bundesregierung beschließt, jedes Jahr eine nicht unerhebliche Summe bereitzustellen, um die deutsche Automobilindustrie zu fördern. Als Reaktion darauf lässt der VDA verkünden: „Nein, liebe Bundesregierung, finden wir nicht gut, belastet den Bundeshaushalt, wollen wir nicht.“ Absurd? Sicher. So ähnlich aber in unserer Gemeinde passiert.

Vergangene Woche hat der Rat sich nach einer sehr langen Pause wieder mit der EBC beschäftigt. Hätte er aber gar nicht sollen, sondern nur mit einem Projektplan, der zu einer fundierten Entscheidungsfindung des Rates hinsichtlich einer Einführung der Karte für Uhldingen-Mühlhofen 2022 führen soll. Es ging also nicht um die Karte, sondern darum, wie wir zu einer Entscheidung kommen könnten. Vorgestellt wurde der Plan von Frau Intelisano von der Tourist Info. Sie hat dabei mehrmals betont, dass dieser Plan keine Entscheidung des Rates vorwegnehmen soll und dass, im Gegensatz zum letzten Mal, auch die Gastgeber:innen ausführlich zu Wort kommen sollten. Verständlicherweise hat sie dabei Werbung für die Einführung der Karte gemacht, die TI sieht die Karte als Baustein zur Steigerung der Attraktivität der Gemeinde als Tourismusort. Eben das ist auch Aufgabe der TI.

Kurzum, der Plan machte auf mich einen strukturierten und durchdachten Eindruck, alle Seiten sollten ausgiebig zu Wort kommen und auch die zeitliche Planung schien mir plausibel. Vorab wurden wir über die positiven Erfahrungen derjenigen Gemeinden, die die Karte schon eingeführt haben, ins Bild gesetzt und auch das schien mir glaubwürdig. Losgelöst davon ging es (es tut mir leid, aber ich muss das ständig wiederholen) nur um den Plan zur Entscheidungsfindung.

Was das alles wieder kostet!

Das hat aber manche Kolleginnen und Kollegen nicht davon abgehalten, das ganz große Fass aufzumachen. Es wurde intensiv gestritten, ob denn die EBC jetzt gewünscht werde oder nicht (nachzulesen hier). Das Gebiet, in dem der ÖPNV kostenlos wäre, sei zu klein. Das Ganze sei Zwang (für Tourist:innen und Gastgeber:innen). Man werde „schon wieder überfahren“. Die Gäste würden aufgrund der Erhöhung der Kurtaxe (von jetzt 2,00 € pro Person und Nacht um 1,10 € bis 1,30 € auf dann maximal 3,30 €) ausbleiben. Hierzu wurde der Rückgang von Übernachtungen in anderen Seegemeinden angeführt und die EBC als Ursache dafür ausgemacht. Zu der erhöhten Kurtaxe kämen zusätzlich noch etwa 100.000 €, welche die Gemeinde jährlich zusätzlich an Mitteln für die Karte bereitstellen müsse. Insbesondere dieses Argument von Seiten der Gastgeber:innen hat mich dann doch sehr überrascht.

Daraufhin habe ich mich in die Diskussion eingeklinkt (nicht nachzulesen hier). Als erstes habe ich mir erlaubt, darauf hinzuweisen, dass wir in der Sitzung jetzt eben nicht über die Einführung zu entscheiden hätten, sondern über den Weg, der uns zu einer Entscheidung bringen sollte. Ich habe den Plan (wie oben) gelobt und eine Versachlichung der Diskussion eingefordert. Die vorgebrachten Argumente gegen die Einführung der Karte fand ich wenig stichhaltig. Ein kleines Rechenbeispiel: ein vierköpfige Familie, welche zwei Wochen in unserer Gemeinde Ferien macht, müsste für die EBC 72,60 € an Mehrkosten aufbringen. Dafür gibt es zwei Wochen lang kostenlosen ÖPNV im gesamten Bodo-Gebiet, Vergünstigungen bei touristischen Attraktionen und auf verschiedenen Schifffahrtslinien. Für 72,60 € wird es schwer, in Unteruhldingen für eine vierköpfige Familie ein Abendessen zu bekommen! Das mal zu den Relationen (Ich hätte hier gerne die Speisekarte des Seehofs eines Hotels mit Restaurant in Unteruhldingen verlinkt. Da stehen aber keine Preise drauf. Was mein Argument wohl eher stützen dürfte).

Was die angeblich ausbleibenden Gäste anging, so bin ich der Meinung, dass man als Gastronom:in vielleicht sein Geschäftskonzept überdenken muss, wenn Gäste aufgrund eines Preisaufschlags von 1,30 € pro Nacht im Gegenzug zu kostenlosem ÖPNV und noch mehr Vergünstigungen wegbleiben.

Bezüglich der angemahnten Mehrkosten für die Gemeinde hab ich meine Irritation deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Gastgeber in Uhldingen-Mühlhofen sind der erste Interessenverband, von dem ich höre, dass er sich über die Förderung der Interessen seiner Mitglieder (hier der Tourismus) beschwert und das als Argument für eine Ablehnung anführt. Die Mehrkosten für die Gemeinde sind als Investition in den Tourismus anzusehen. Der ist Teil unserer Gemeinde und ich finde, wir sollten den auch in eine bestimmte Richtung fördern. Wenn er mit der Einführung der EBC ein Stück ökologischer wird, bin ich gerne bereit, dafür auch Geld in die Hand zu nehmen.

Aus ökologischer Sicht ist die Karte absolut sinnvoll. Wir möchten unsere Gäste doch dazu bringen, vorzugsweise mit dem ÖPNV oder eben mit dem Fahrrad unsere schöne Region zu erkunden.

Wie geht’s weiter?

Wir haben es dann tatsächlich geschafft, den vorgeschlagenen Plan mit großer Mehrheit anzunehmen. Am 18.3.2021 findet eine Gastgeberversammlung per Videokonferenz statt. Anschließend werden alle registrierten Beherbergungsbetriebe von der TI mittels Fragebogen zu ihrer Position hinsichtlich der EBC befragt. Das wird dann ausgewertet. Das dauert eine Weile und dann wird das Ergebnis in einer Gemeinderatssitzung vorgestellt. Es wird weiter beraten und irgendwann im Juli 2021 entscheiden wir dann über eine Einführung.

Es bleibt spannend und es ist noch viel Zeit für Gespräche!

Updates

19.03.2021:
Kinder bis 15 Jahren bleiben auch weiterhin von der Kurtaxe (und damit auch von der Erhöhung für die EBC) befreit. Damit ändert sich mein Rechenbeispiel entsprechend.

19.03.2021:
In der gestrigen Gastgeberversammlung wurde die EBC von den Teilnehmer:innen meiner Beobachtung nach größtenteils positiv bewertet, teilweise sogar gefordert. Es zeigt sich damit, dass nicht unbedingt der Lauteste die Meinung der Mehrheit vertritt.

Die Grünen haben Recht!

Der Hofreiter Tony und das Einfamilienhäuschen

Ok, einer von ihnen hat was ganz Gescheites gesagt. Kommt zur Zeit selten genug vor, dass von den Grünen was Konkretes kommt und noch seltener, dass ich den Grünen beispringe. In einem Interview (SPIEGEL Online, leider €) hat der Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen ein paar höchst interessante und vernünftige Dinge gesagt. So vernünftig, dass die Landtagskandidatin der CDU im Bodenseekreis gleich die Sachebene verlassen hat und in die Mottenkiste des Lagerwahlkampfs gegriffen hat (dort kamen ihr dann wahrscheinlich Pastor Hintze, Konrad Adenauer und die Werteunion entgegen). Nachfolgend ein paar Eindrücke von ihrem Facebook-Auftritt.

Das ist doch mal erfrischend! Und so anders! Klassischer Fall von „Thema verfehlt“. Aber wenn’s halt an der Fähigkeit Bereitschaft zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner fehlt, bleibt einem eben nicht mehr viel.

Little Boxes und das Donut-Dorf

Kurz zusammengefasst denkt Tony Hofreiter laut darüber nach, ob denn Einfamilienhäuschen angesichts ihres enormen Bedarfs an Fläche und Ressourcen, ihrer in Relation zur entstehenden Wohnfläche immensen Kosten und  immer mehr verödeter Ortskerne (Donut-Dorf) allein selig machend sind. Dann sinniert er noch kurz darüber, ob es vielleicht sinnvoll ist, als Staat bei unklaren Besitzverhältnissen und standhafter Weigerung von Grundbesitzer:innen regulierend zum Wohle der Allgemeinheit einzugreifen und das böse E-Wort zu sagen: Enteignung

Dass der Staat (das sind, zur Erinnerung, übrigens wir alle und kein abstraktes Wesen) das nur in Ausnahmefällen darf und dass vor allem das (seit gefühlter Ewigkeit, jedenfalls schon viel zu lang) CSU-geführte Bundesverkehrsministerium fast nichts anderes macht, als Grundbesitzer:innen für den Bau von Autobahnen und Bundesstrassen zu enteignen, verschweigt die Dame von der CDU natürlich geflissentlich.

Baulandpolitische Grundsätze für UM

Wie gut, dass der Gemeinderat es sich zur Aufgabe gemacht hat, baulandpolitische Grundsätze für unsere Gemeinde zu formulieren. Los geht es in der kommenden Sitzung am 16.3.2021. Wir als SPD haben einige Punkte formuliert, die wichtig sind, um bezahlbaren Wohnraum in Einklang mit ökologischen Zielen in Uhldingen-Mühlhofen zu schaffen. Tatsächlich spielen die Gedanken des Herrn Hofreiter dabei keine unerhebliche Rolle. Dazu demnächst hier und in der Ratssitzung.

Und jetzt, Herr Ferraro?

Was bisher geschah

Als erste Maßnahme hab ich natürlich den Ausbruch der sozialistischen Revolution meine Verpflichtung ausgiebig etwa zehn Minuten lang mit einem Glas Wasser gefeiert, um dann todmüde ins Bett zu fallen. Kann sich nämlich ziehen, so ein Sitzungstermin. Ich hab mich über diese Ehre sehr gefreut, die mir zuteil geworden ist und ich empfinde auch Demut und Respekt vor der Aufgabe, die vor mir steht. Aber ich weiss auch, dass ich auf die Unterstützung vieler Menschen zählen kann und das lässt mich optimistisch in die Zukunft blicken.

Mehrere Sitzungen sind rum, viele lange Gespräche geführt und viele lange Gespräche stehen noch an. Seitdem ich am 26. Januar 2021 (19:10 Uhr ?) als Gemeinderat verpflichtet wurde, ist kaum ein Tag (abgesehen vom Wochenende) vergangen, an dem ich nicht ein mindestens einen Termin im Zusammenhang mit meinem neuen Amt wahrgenommen habe. Bitte nicht als Jammern verstehen, ganz im Gegenteil! Das macht unheimlich viel Spaß, mit so vielen Menschen ins Gespräch zu kommen. Die Pandemie erschwert das deutlich, nichtsdestotrotz habe ich spannende Einblicke bekommen und wurde vor allem von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rathaus offen und ohne Vorbehalte empfangen. Vielen Dank an dieser Stelle nochmal!

Anstand und Höflichkeit gebieten es, sich als neuer Fraktionsvorsitzender bei den anderen Fraktionen vorzustellen. Mein Angebot fanden nicht alle so verlockend. Sei’s drum, ich hab mit den meisten Fraktionen – und dort auch mit verschiedenen Rätinnen und Räten – gesprochen und war doch teilweise sehr (positiv) überrascht. In allen Gesprächen haben wir inhaltliche Gemeinsamkeiten entdeckt und ich war froh, dort überall auch dem Willen zur nachhaltigen Veränderung unserer Gemeinde zu begegnen. Ich bin gespannt, wie sich das dann im „politischen Alltag“ äußert.

Wie geht’s jetzt weiter?

Meine bisherigen Erfahrungen machen (mir) Hoffnung. Unser Bürgermeister hat wirklich was vor mit unserer Gemeinde und es freut mich außerordentlich, dass er (ebenso wie ich) ein Fan der Transparenz ist. Das Primat der Öffentlichkeit ist nicht mehr nur, wie bei seinem Vorgänger, blosses Lippenbekenntnis. Wenn ich es mir recht überlege, war es bei seinem Vorgänger nicht einmal das. Nein, Bürgermeister Männle meint es ebenso ernst wie die SPD und setzt zudem auch auf konsequente Bürgerbeteiligung. Von der AWG, selbsternannte Gralshüter der Transparenz, hab ich bisher im Übrigen noch keine dahingehenden Initiativen feststellen können. War dann wahrscheinlich auch nicht so wichtig wie die konsequente Verhinderung von Innovationen (siehe elektronischer Meldeschein und EBC) oder Bäumen im Hafengebiet (wegen der Aussicht, kommt ja sonst niemand mehr, wenn er beim Kännchen Kaffee nicht auf den See gucken kann) oder der angemessenen Würdigung und Präsentation unserer Welterbestätte. Muss man halt Prioritäten setzen.

Meine Prioritäten bei meiner Arbeit als Gemeinderat leiten sich aus unserem Wahlprogramm für die Kommunalwahl ab. Wer SPD wählt, bekommt sie auch. Dazu gehört, dass die Niederschriften der Rats- und Ausschusssitzungen (Ups, wirklich mit drei „s“! Das tut im Gegensatz zu gendergerechter Sprache wirklich weh beim Angucken!) für alle Interessierten online einsehbar sind, sobald sie vom Rat anerkannt wurden. Erste Gespräche dazu habe ich schon geführt. Ein Hinderungsgrund könnte eine Formulierung in §38 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg sein. Dort steht nämlich „Einsicht“. Das Online-Stellen eines PDF ist aber faktisch das Anfertigen einer Kopie. Das ist wohl nicht vorgesehen. Allerdings bekommen das andere Gemeinde auch ohne weiteres hin. Von daher bin ich zuverlässig, dass wir das auch können. Etwas pessimistischer wäre ich, wenn die Mitglieder des Gemeinderats dem zustimmen müssten. Das fänden vermutlich nicht alle so selbstverständlich wie ich und die weitaus meisten Bürger:innen von Uhldingen-Mühlhofen (Sehen Sie, hat überhaupt nicht weh getan! Haben Sie wahrscheinlich nicht mal bemerkt!). Ich bleibe dran und werde berichten, wenn sich da was tut.

Überhaupt gelobe ich hiermit feierlich, zukünftig wieder regelmäßig zu schreiben und Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger (jetzt mal ausgeschrieben, sonst liest die CDU nicht mehr mit) mit Hintergrundinformationen zu versorgen und meinen Senf meinen Kommentar zu aktuellen Themen abzugeben. Nah bei de Leut‘ halt!