Wie schon erwähnt, sind alle Themen eng miteinander verwoben und beeinflussen sich gegenseitig. Der Klimaschutz hat hier sicherlich eine herausgehobene Stellung, trotzdem ist jedes der Themen ein wichtiger Baustein auf dem Weg in die Zukunft. Wohnen und Verkehr hängen untrennbar zusammen. Wo ich wohne bestimmt, wie mein Weg zur Arbeit aussieht; Mobilität hat eine entscheidende Auswirkung auf unseren Alltag. Ein zur Zeit verbreitetes Modell ist das Pendeln mit den verschiedensten Verkehrsmitteln zwischen Wohn- und Arbeitsort. Dabei werden die Strecken immer länger, da der (günstige) Wohnraum dort, wo die Arbeit ist, zusehends knapper wird. Insbesondere im weniger urban geprägten Raum.
Günstiger Wohnraum dort, wo er gebraucht wird, ist also ein entscheidender Faktor in der Frage der zukünftigen Mobilität. Immer mehr Betriebe schlagen Alarm, weil sie keine Arbeitskräfte mehr finden. Das hat natürlich auch mit dem Fachkräftemangel zu tun. Dazu kommt aber immer öfter, dass die Menschen, die bereit wären in den Betrieben zu arbeiten, schlicht keine bezahlbare Wohnung in akzeptabler Entfernung finden. Das ist ein ganz konkretes Problem, mit dem sich die Kommunalpolitik konfrontiert sieht. Wohnraum wird somit zum Standortfaktor. Über die Gewerbesteuer bekommen die Kommunen das dann direkt zu spüren.
Auf diese Probleme lässt sich nun in verschiedener Weise reagieren. Eine Möglichkeit besteht darin, mehr Baugebiete auszuweisen. Wenn diese dann aber mit Einfamilienhäuschen bebaut werden, ist das in mehrerlei Hinsicht nicht zielführend. Einfamilienhäuser sind sicherlich eine der teuersten Möglichkeiten, Wohnraum zu schaffen. Damit haben sie wenig positive Auswirkungen auf den angespannten Markt für günstigen Wohnraum. Darüberhinaus weisen sie vom Blickpunkt der Nachhaltigkeit und dem Flächenverbrauch pro Person keine besonders gute Bilanz aus. Einfamilienhäuser haben weiterhin ihre Daseinsberechtigung, keine Frage. Aber als Modell für die Zukunft und Blaupause zur Schaffung von dringend benötigtem günstigem, nachhaltigem Wohnraum dienen sie nicht. Sie fördern die Zersiedelung der Landschaft und verlängern die Wege. In einem Wohngebiet aus Einfamilienhäusern mag niemand ein Gewerbe haben, folglich muss die dort wohnende Bevölkerung zur Arbeit, zum Einkaufen, für den Arztbesuch usw. längere Wege in Kauf nehmen – und nimmt dann aus Gründen der Flexibilität und Bequemlichkeit das Auto.
Die nächste Folge ist, dass die Ortskerne aussterben. Junge (vermögende) Familien siedeln vorzugsweise am Rand der Kommune im Neubauviertel, während im Ort oft nur die Älteren übrigbleiben. Das Ergebnis sind sogenannte Donut-Dörfer, in deren Zentrum Leere herrscht, mit all den negativen Effekten wie Verlust an Lebensqualität und „Miteinander“. Die Auswirkungen auf die Gemeinschaft und das ehrenamtliche Engagement in den Vereinen dürften fatal sein. Entweder werden die Ortskerne dann von Auswärtigen als Zweiwohnsitz aufgekauft oder in den Häusern finden sich ältere Menschen, die auf das Haus angewiesen sind, weil kein (günstiger) passender alternativer Wohnraum für sie zur Verfügung steht. Mit der Rente lässt sich in vielen Orten die Miete für akzeptable Objekte nicht mehr stemmen. Sterben die Bewohner*innen, verkaufen die Erben dann an Investoren, die auf den teuer erkauften Grundstücken dann sicher keine günstigen Wohnungen bauen. Für Erneuerungs- und Sanierungsprojekte gibt es viele Förderangebote, die Kommunen könnten Privatpersonen zum Beispiel mit einer Förderberatung unterstützen.
Ziel muss also sein, unsere Ortskerne lebendig zu halten, indem wir es jungen Familien möglich machen, in die Zentren zu ziehen, entweder mit staatlich gefördertem Geschosswohnungsbau mit Vorgaben zum Mietpreis anstelle der Ursprungsbebauung oder Unterstützung beim Erwerb und der (nachhaltigen) Sanierung von Bestand. Dafür braucht es günstigen Wohnraum für (alleinstehende) Ältere und Bebauungspläne, die entsprechende Bebauung zulassen. Wir werden in Zukunft nicht drumherumkommen, höher zu bauen und näher aneinander zu rücken. Das Gesicht der kleinen Kommunen wird somit ein Stück weit urbaner werden. Aber auch wieder lebendiger.
Das Zusammenleben von mehr Menschen an einem Ort birgt Vorteile. Es macht attraktiven ÖPNV rentabler. Für zwei Mitfahrende am Tag wird es keine 30-Minuten-Taktung geben. Je mehr (potenzielle) Nutzer*innen, desto interessanter der Linienausbau, was den ÖPNV wiederum flexibler und attraktiver in der Nutzung macht. Attraktivität und Verlässlichkeit sind Schlüssel dafür, Menschen zum Umstieg zu bewegen. Ein leistungsfähiger ÖPNV ist kein Luxus. Er ist ein Standortvorteil.
Nicht nur für den ÖPNV ergeben sich Chancen durch mehr Menschen auf kleinerer Fläche. Für den Einzelhandel in seiner Funktion als Nahversorger und für verschiedene Dienstleistungen wird der Standort attraktiver. Es wird nicht mehr notwendig (mit dem Auto) zum Einkaufen oder in die Arztpraxis in den Nachbarort oder die nächstgrößere Stadt zu fahren, wenn der Supermarkt und die Praxis fußläufig oder mit dem Rad erreichbar ist. Wichtig ist auch hier wieder die Anpassung des Bebauungsplans, der das auch zulassen muss.
Fazit: Bebauungspläne erneuern und anpassen, Sanierung und Aufstockung von Altbestand sowie Geschosswohnungsbau fördern, bei Projekten auf Gemeindegrund konsequent gedämpften Mietpreis festsetzen, Fördergelder abrufen, ÖPNV verlässlich und flexibel machen.
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