Im Prinzip ja, aber…!

Die Angst vor dem eigenen Wort

„Mögen hätt‘ ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut.“

Karl Valentin

Erinnern Sie sich noch an das Frühjahr 2019? Damals, als Menschen noch verrückte Dinge gemacht haben. Zum Beispiel sich in Gruppen getroffen haben. Hände geschüttelt haben. Sich umarmt haben. Miteinander geredet haben. Es scheint so weit weg (Spoiler: Es kommt wieder!).

So weit weg wie die Forderungen, welche die meisten Parteien und Gruppierungen in Uhldingen-Mühlhofen zur Kommunalwahl aufgestellt haben. Aufgrund derer sie dann auch gewählt wurden. Und jetzt kommen Sie nicht wieder mit „AbEr KoMmUnAlWaHlEn SiNd NuR PeRsOnEnWahLen!“. Natürlich spielt die Person eine Rolle! Aber eben auch das Programm oder die Forderungen, für welche die Personen einstehen. Die Kandidierenden geben ein Versprechen ab, sich nämlich im Falle der Wahl auch für die Umsetzung der Forderungen einzusetzen. Ich für meinen Teil nehme das ernst. 

Ortsvereinsvorsitzender kündigt Transparenz im neuen Gemeinderat an (Symbolbild)

Alle außer der CDU Fast jede Gruppierung nennt (oft sogar als erstes Ziel!) Transparenz und Bürgerbeteiligung in ihrem Wahlprogramm. Eine Gruppe sieht sich selbst als eine Art Gralshüterin der Transparenz und fordert diese ständig. Aber halt auch nur dort, wo es ihr opportun erscheint. Dazu aber in einem anderen Text bald mehr.

Wie angekündigt habe ich von Tag 1 meiner Amtszeit an das Ziel verfolgt, die Niederschriften bzw. Protokolle der öffentlichen Rats- und Ausschusssitzungen allen, die sich dafür interessieren, leicht und komfortabel zugänglich zu machen. Als zweiten Baustein für mehr Transparenz sollten wir diese alberne Anonymisierung im Mitteilungsblatt bleiben lassen. Das bekommen alle wöchentlich kostenlos ins Haus und da sollte schon drinstehen, wer welche Anfrage gestellt hat. Die Bürger:innen hätten somit schon mal die Basisinformationen. Wenn es jemanden dann näher interessiert, wäre der Diskussionsverlauf zu einzelnen Tagesordnungspunkten dann in der Niederschrift nachzulesen. 

Am einfachsten geht das, indem man die Niederschriften (die ohnehin im Ratsinformationssystem verfügbar sind, sobald sie von uns Ratsmitgliedern in der darauffolgenden Sitzung anerkannt wurden), für die Öffentlichkeit aufrufbar macht und eben die Anonymisierung im Mitteilungsblatt weglässt. Die Freigabe im Internet ist technisch kein Problem, dürfte vermutlich nur ein Häkchen beim Hochladen sein. Da zudem sowieso alle außer der CDU  fast alle Gruppen vor der Wahl für mehr Transparenz waren, sollte das im Rat ja auch eine Mehrheit finden. Dachte ich.

Ortsvereinsvorsitzender, nachdem er mit der Verwaltung gesprochen hat (Symbolbild)

Ist aber wohl doch nicht so einfach, wie ich erfahren musste. Die Gemeindeordnung lässt Interpretationsspielraum (wie ich hier erläutert habe). Da aber etwa 600 von 1.111 Gemeinden in Baden-Württemberg ihre Protokolle veröffentlichen (darunter die meisten aus dem Bodenseekreis), sollte das nicht das Problem sein. Es gäbe laut Auskunft Gemeindetag aber leider noch ein Problem. Nämlich den Datenschutz. Da es sich nämlich um personenbezogene Daten handle, müssten deren Veröffentlichung alle betroffenen Personen zustimmen. Also alle Mitglieder des Rates, der Bürgermeister, die Mitarbeiter:innen der Verwaltung, die entweder selbst reden oder genannt werden, eventuelle Dritte usw.

Ja, ok. Das wäre wirklich ein Hürde. Aber machbar. Die Ratskolleg:innen sollten doch ein Interesse daran haben, dass ihre Arbeit veröffentlicht wird und möglichst viel Beachtung findet. Der Bürgermeister sowieso und die Mitarbeiter:innen in der Verwaltung machen ihre Arbeit und die machen sie gut. Warum also sollte jemand was dagegen haben?

Wir haben das im Rat andiskutiert, als es in der Sitzung vom 27. April 2021 (vgl. hierzu Südkurier vom 10. Mai 2021) um Änderungen der Geschäftsordnung ging, die selbige behutsam an die digitale Realität anzupassen. Folgendes kam während oder nach der Sitzung an Äußerungen (sinngemäß):

  • „Dagegen!“
  • „Müssen wir gar nicht drüber abstimmen! Bin ich sowieso dagegen!“
  • „Wenn jemand das lesen will, soll er ins Rathaus gehen!“
  • „Wenn jemand das lesen will, soll er einen Gemeinderat fragen! Die haben Zugriff.“
  • „Ich will nicht falsch oder verkürzt zitiert werden!“
  • „Wer weiss, was in den Soziale Medien da draus gemacht wird!“
  • „Ich bin auch dagegen!“
  • „Interessiert niemanden!“
  • „Wenn ich nicht mehr im Rat bin, kann man das immer noch lesen!“
  • „Was ich vor Jahren gesagt habe, könnte gegen mich verwendet werden!“
  • „Ich will das nicht!“
  • „Dann muss ich mich ja vielleicht rechtfertigen für das, was ich da gesagt habe!“
  • „Dann ist das viel mehr Aufwand mit der Kontrolle der Niederschriften. Da wird sich dann ständig jemand beschweren, dass etwas falsch wiedergegeben würde!“
  • „Die Ratsmitglieder werden dann viel mehr auf ihre Wirkung in der Öffentlichkeit achten!“
  • „Die weniger Wortgewandten kommen zu kurz!“

Scheint doch kein Selbstläufer zu werden. Am Ende liest noch jemand die Protokolle und konfrontiert mich mit meiner eigenen Meinung! Skan-da-lös!

In Gesprächen im Vorfeld mit anderen Ratsmitgliedern und dem Bürgermeister (der übrigens vor der Wahl auch Transparenz versprochen hat) wurde ich prinzipiell in meinen Ansichten bestätigt. Was dann an „Argumenten“ im Rat kam, hat mich aber überrascht und offenbart an manchen Stellen ein aus meiner Sicht sehr interessantes Verhältnis zur Demokratie und ihren Institutionen. Der „Riss“ geht mitten durch die Fraktionen. Nur die SPD-Fraktion ist sich einig.

Natürlich sind wir als Ratsmitglieder Personen, die in der Öffentlichkeit stehen und natürlich hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf, zu erfahren, was wir da so bereden. Dieses Recht hat sie jederzeit. Nicht nur als Besucher:in während der Sitzungen oder zu den Öffnungszeiten des Rathauses. Ich kann auch die Sorge nachvollziehen, sich unversehens im Mittelpunkt eines Shitstorms wiederzufinden. Aber das gehört dazu, auch als ehrenamtlich in der Politik tätige Person und dann kommt es auf die Solidarität der Kolleg:innen und der eigenen Gruppierung an. Wir werden uns damit anfreunden müssen, dass auch ohne veröffentlichte Protokolle und Namensnennung im Mitteilungsblatt der Ton rauer werden wird (siehe Leserbriefe zur EBC). Ich für meinen Teil werde niemanden im Regen stehen lassen.

Ortsvereinsvorsitzender bleibt bei seiner Meinung (Symbolbild)

Da waren sie wieder, die „dicken Bretter“. Aber durch die kommt man nie durch, wenn man nicht mal anfängt, zu bohren. Ich hab jetzt angefangen und ich bin sicher, dass die Wähler:innen auch eine Meinung dazu haben. Also tun Sie diese kund! Kommen Sie in die Sitzungen. Schreiben Sie den Kolleg:innen einen Brief, eine Mail, eine Nachricht in den Sozialen Medien. Schicken Sie ein Fax. Was auch immer Ihr bevorzugtes Kommunikationsmittel ist. Das, liebe Leser:innen, ist nämlich ein Top-„Argument“ derjenigen, die ihre Namen nicht im Internet und auch nicht im Mitteilungsblatt sehen wollen: „Das interessiert doch niemanden!“ Aber Desinteresse ist der Tod der Demokratie!

Also unterstützen Sie meine Kolleg:innen und mich im Einsatz für mehr Transparenz! Nur so können wir was verändern. Sonst sieht es in einigen Jahrzehnten so aus, wie auf dem nächsten Bild. Und das kann nun wirklich niemand wollen.

Ortsvereinsvorsitzender im Jahr 2051 bei seiner alljährlichen Forderung, die Protokolle ungefiltert ins Netz zu stellen.

Neustart

Wo warst du denn die ganze Zeit?

13 Monate sind eine sehr lange Zeit. Jetzt könnte ich zu einer ausschweifenden Erklärung ansetzen, weshalb hier so lange nichts passiert ist, obwohl es doch reichlich zu kommentieren gegeben hätte und aktuell auch gibt. Machen wir es kurz: ich war wirklich eine Weile sprach- und ratlos und je länger man etwas vor sich herschiebt, desto schwieriger wird es, einen Anfang zu finden.

War was?

Nützt aber alles nix, die Welt dreht sich weiter und sie dreht sich ganz schön schnell. Seit über einem Jahr hält ein Virus, über das wir noch immer erstaunlich wenig wissen, buchstäblich die Welt in Atem. Dinge, die uns selbstverständlich waren, sind mittlerweile undenkbar (schauen Sie sich einfach mal eine Folge ihrer Lieblingsserie von vor der Pandemie an! Igitt, wie viele Menschen auf einen Haufen! Und alle schütteln sich ständig die Hände und niemand hält Abstand! Haben wir das „früher“ wirklich so gemacht?). Dafür haben sich manche, möglicherweise wünschenswerte Entwicklungen rasant beschleunigt und Missstände treten sehr deutlich hervor (gerne erinnere ich an den Verantwortungsbereich der bald Ex-Kultusministerin). Die gegenwärtige Situation verlangt von vielen von uns weit mehr als das, was zu leisten und zu erdulden wir uns bis dahin  in der Lage sahen. Viele Lebensbereiche ändern sich in beispielloser Geschwindigkeit radikal und es ist noch nicht mal im Ansatz zu erkennen, wohin das alles führt. Hinzu kommt eine monströse Zahl an Menschen, die ihr Leben unter Qualen verloren haben. Großteils auf Intensivstationen, ohne die ihnen Nahestehenden noch einmal sehen dürfen. Noch immer sterben unvorstellbar viele. Jeden Tag. 
Dazu kommen die vielen alten Menschen, denen die letzte schöne Zeit durch notwendige Maßnahmen verkürzt oder ganz genommen wird. Weil wir es nicht schaffen, sie schneller zu impfen und weil wir sie sonst nur durch Isolation schützen können. 

Wie geht’s denn jetzt weiter?

Keine Zeiten für Kommunalpolitik also? Mitnichten! Zwar sehen wir täglich, wie die „große Politik“ teilweise ratlos versucht, der Pandemie Herr zu werden, aber gerade jetzt ist Kommunalpolitik noch wichtiger, als sie sonst schon ist. Warum? Weil Kommunalpolitik schnell und flexibel sein kann. Weil sie näher dran ist an den Menschen, als es jede andere Politikebene je sein könnte. Kommunalpolitiker agieren nicht im vielzitierten luftleeren Raum. Auch sie sind vernetzt und können die Sorgen und Anliegen der Menschen, die sie vertreten, in Gremien und Organisationen weitertragen.

Seit dem 26. Januar 2021 habe ich nun die ehrenvolle Aufgabe, zusammen mit 17 weiteren Kolleginnen und Kollegen die Interessen der gesamten Gemeinde im Rat zu vertreten. Spätestens jetzt also ist es an der Zeit, diesen Blog wieder mit Leben zu füllen und dadurch eine weitere Möglichkeit des Dialogs mit meinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu nutzen.

In der Vergangenheit habe ich an dieser Stelle schon mehrfach über Transparenz geschrieben. Das meine ich noch immer ernst. Daher möchte ich zukünftig auch offen über das Geschehen im Rat berichten. Verständlicherweise muss ich die Vertraulichkeit nicht-öffentlicher Beratungen wahren. Allerdings finde ich, dass diese auf ein absolut notwendiges Minimum zu beschränken sind. Neuer Bürgermeister, neue Chancen.

Und damit sind wir schon mittendrin in der Zukunft. Bleiben Sie dran, es wird spannend! Versprochen!

Ich kandidiere!

Nicht für das Amt des Bürgermeisters. Aber ich habe mir intensiv Gedanken gemacht. Nicht über eine Kandidatur, sondern darüber, was die Person, die in Zukunft die Verwaltung unserer Gemeinde führen will, erwartet und was wir Menschen in (Uhldingen)-Mühlhofen von ihr erwarten. Der Meldeschluss für Bewerbungen auf die Nachfolge von Edgar Lamm rückt näher. Neben den offizielle Bewerbungen gibt es Absichtserklärungen, Mutmaßungen, Gerüchte und ewige Kandidaten. Da ist noch einiges im Fluß bis zum 22. Februar. Ich würde mich sehr auf konkrete Wahlkampfziele der Bewerber freuen, nicht nur Allgemeinplätze, sondern auf ganz konkrete Ideen, wie sie unsere Gemeinde in die Zukunft führen wollen.

Make Mühlhofen Great Again!

Ok, „groß“ war Mühlhofen noch nie und es soll auch nicht um jeden Preis groß werden. Aber frei nach dem Motto eines unbedeutenden Lokalpolitikers aus New York muss es wieder großartig werden. Es hat als Gemeinde funktioniert und es funktioniert noch. Das Vereinsleben ist außergewöhnlich, die Bürgerinnen und Bürger sind engagiert und wollen ihren Ortsteil voranbringen. In Mühlhofen gab es einmal eine hervorragende Infrastruktur, Bäcker, (Lebensmittel-)Geschäfte und so weiter. Was ist passiert?

Aus Sicht Mühlhofens ist klar, dass ein Plan her muss. Wie soll sich Uhldingen-Mühlhofen entwickeln? Wollen wir weiterhin Baugebiete ausweisen, ohne eine Vorstellung davon, wie aus der Ansammlung von Häusern eine Gemeinde werden soll? Mühlhofen wird so zur Schlafsiedlung werden. Es fehlt ein klare Vorstellung für Mühlhofen (und nicht nur dafür, sondern für die gesamte Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen). Die muss entwickelt werden und sie muss auch umgesetzt werden. Bürgerschaftliches Engagement ist zu fördern und zu ermutigen und nicht in fast totalitärer Manier mit fadenscheinigen Begründungen zu unterdrücken. Die Menschen in Mühlhofen fühlen sich zurückgesetzt und ich meine, zu Recht.

Ein echter Masterplan: was ist unsere Geschichte?

„Masterplan Weltkulturerbe“. Hört sich hervorragend an. Hat auch was gebracht, keine Frage. Ein zubetoniertes Ufer beispielsweise. Aber wo ist der „Masterplan Uhldingen-Mühlhofen“? Unsere Gemeinde liegt in einer der schönsten Gegenden Europas. Sie ist ungemein attraktiv als Ferienziel. Aber sie altert rapide, was für jeden ersichtlich ist.

Im Moment sehe ich recht wenig Reaktionen auf diese Tatsache aus dem Rathaus, von gelegentlichen Seniorennachmittagen und -ausflügen mal abgesehen. Wo wollen wir hin? Wollen wir zum Florida Deutschlands werden? Zum Paradies für vermögende Rentnerinnen und Rentner? In gated communities? Oder zu einer Art Disneyland? Das ist sicher eine Möglichkeit, aber dann muss sie auch benannt werden. Wie eine solche Zukunft aussieht, kann jeder sehen, der wochentags im Winterhalbjahr in der Altstadt von Meersburg versucht, eine Brezel zu kaufen.

Wollen wir noch die Kurve kriegen und eine Gemeinde der Zukunft sein? Mit einer tragfähigen und bunten Alters- und Sozialstruktur? Mit einem echten Gemeindeleben das ganze Jahr über? Dann muss das entwickelt werden! Ein „Weiter-So!“ führt uns weder dort noch dort hin, sondern verdammt uns zum Stillstand und wird Unteruhldingen in ein Museum mit angeschlossenem Hotel- und Ferienwohnungsbetrieb und Oberuhldingen und Mühlhofen in reine Schlafdörfer verwandeln.

Was gehört noch dazu? Oben habe ich es erwähnt. Es werden Baugebiete ausgewiesen und bebaut, Menschen ziehen nach Uhldingen-Mühlhofen. Das alleine macht uns aber nicht zu einer funktionierenden Gemeinde. Es braucht einen Integrationsprozess. Der fängt schon bei der Anbindung der Baugebiete an. Sie einfach an den Rand zu klatschen und dann sich selbst zu überlassen, kann nicht der Weg sein. So geschehen im Ottenbohl II und III und im Ried. So wird es wahrscheinlich am Apfelberg und an der Grasbeurer Straße passieren. Neue Ortsgebiete müssen angebunden werden und es muss eine Idee davon geben, wo die Reise hin soll. Die neuen Gebiete brauchen eine ÖPNV-Anbindung und eine Infrastruktur. Wenn wir eine lebenswerte Gemeinde sein wollen, dann gehören da auch kurze (Fuß-)Wege dazu. Wie schwierig es ist, da was zu bewegen, zeigt sich an der Verlängerung der Ottenbohlstrasse.

Ein Masterplan muss her. Was wollen wir? Die Frage kann natürlich nicht nur die kommende Bürgermeisterin oder der kommende Bürgermeister beantworten. Aber ich erwarte, dass sie oder er einen Prozess in Gang setzt, an dessen Ende eine Idee steht, wie unsere Gemeinde aussehen soll.

Ein Beispiel: 1986 haben sich in der Gemeinde Schönau im Schwarzwald einige Bürgerinnen und Bürger das Ziel gesetzt, Schönau ökologisch über Solarenergie mit Energie zu versorgen. Gegen alle Zweifler und Widerstände haben sie an ihrer Idee festgehalten. Heute ist Schönau weltweit beachtet und ein Modell, wie es gelingen kann, einen Ort sauber mit Energie zu versorgen. Was soll unsere Geschichte werden?

Eine Gemeinde

Im Vertrag über die Vereinigung von Unteruhldingen, Oberuhldingen und Mühlhofen soll es einen Passus geben, der ein räumliches Zusammenwachsen der Gemeinden untersagen soll. Ich selbst habe mich um eine Kopie des Vertrags bemüht, bisher konnte mir den noch niemand organisieren (gerade auch wenn wohl weitere spannende Dinge, z.B. über die Schulen, drinstehen sollen). Als dieser Vertrag 1972 verhandelt und unterzeichnet wurde, war die Welt eine andere als heute. Man hat großen Wert darauf gelegt, dass die zukünftigen Ortsteile klar ihre Eigenständigkeit behalten. Das hat zu diesem Zeitpunkt sicher seinen Sinn gehabt.

Aber seitdem gab es einen Generationenwechsel. Die ersten Kinder, die in die neue Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen geboren wurden, werden dieses Jahr 48. Zeit also, die Gemeinde als Ganzes zu begreifen und zu denken. Das fällt Zugezogenen wie mir wahrscheinlich leichter. Den Herausforderungen, die auf uns zukommen, müssen wir uns als ganze Gemeinde stellen.

Insofern ist es also völlig egal, woher die neue Bürgermeisterin oder der neue Bürgermeister kommt. Ob aus Unteruhldingen oder aus Mühlhofen, ob sie oder er schon immer hier lebt oder erst zu uns zieht, aus der Gemeinde stammt oder „von außen“ kommt. Wenn sie oder er die Gemeinde als Ganzes sieht und sie auch so entwickeln will, hat sie oder er gute Chancen bei mir.

Wohnen, Leben, Arbeiten

Sicher schafft der Tourismus Arbeitsplätze, keine Frage! Doch sind es auch Arbeitsplätze, von deren Entlohnung eine Familie ernährt werden kann? Noch dazu dauerhaft? Ganz zu schweigen von der Frage, ob solche Familien in unserer Gemeinde überhaupt wohnen können. Das betrifft nicht nur die Menschen, die in Beherbergungs- und Gastronomiebetrieben arbeiten. Sondern auch diejenigen, die uns die Brötchen beim Bäcker verkaufen, die im Rathaus hervorragenden Dienst an uns Bürgerinnen und Bürgern leisten, die unsere Grünanlagen pflegen, die unsere Autos reparieren, unsere Briefe zustellen und uns die Haare schneiden.

Ein Ort kann nur lebendig bleiben, wenn die unterschiedlichsten Menschen sich zusammenfinden und einbringen. Dafür brauchen sie Wohnraum und Arbeitsplätze. Eigenheimsiedlungen haben keine Zukunft. Sie sind ein aus der Zeit gefallenes Modell, dessen Flächenverbrauch inakzeptabel ist. Nebenbei sind freistehende Einfamilienhäuser für Normalverdienende fast nicht zu bezahlen. Entsprechende Baugebiete auszuweisen löst das Problem also nicht.

Es bedarf einer Verknüpfung von ökologischer, ökonomischer und – ebenso gleichwertig – sozialer Ansätze, um dieser Herausforderung zu begegnen. In diesem (scheinbaren) Spannungsfeld bewegen wir uns in der Zukunft und es ist keinesfalls so, dass diese Aspekte im Konflikt zueinander stehen.

Ökologisch heißt bei der baulichen Entwicklung unserer Gemeinde, den Flächenverbrauch zu minimieren, nachhaltige Bauweisen zu fördern und, was oft leider vergessen wird, Verkehr zu vermeiden, wo es möglich ist. Das geht, indem wir die ökonomischen Entwicklung vorantreiben, personalintensive Zukunftstechnologien in den Ort holen und eine Gründerszene fördern. Wenn jemand im Ort arbeitet, muss er nicht nach Friedrichshafen, Stockach, Konstanz oder sonst wohin pendeln. Nochmal: nichts gegen den Tourismus, im Gegenteil! Aber dauerhafte Arbeitsplätze mit einem vernünftigen Verdienst wird er uns keine liefern. 

Mit sozial meine ich nicht nur, dass die Gemeinde bei der Entwicklung von Wohnraum zwingend für eine hohe Quote an günstigen Wohnungen sorgen muss. Das ist mittlerweile überall angekommen. Auch Bildungspolitik ist Sozialpolitik. Machen wir unserer Schulen und Kindergärten zu besonderen Einrichtungen. Nehmen wir Geld in die Hand und wagen wir etwas. Ermutigen wir die Menschen in diesen Einrichtungen, neue Wege zu gehen. Sie leisten unschätzbar wichtige Arbeit. Bezahlen wir sie endlich angemessen und entlasten wir sie, indem wir nicht nur den vorgeschriebenen Betreuungsschlüssel erfüllen, sondern deutlich darüber hinausgehen. Statten wir die Schulen und Kindergärten mit allem aus, was es braucht, um unsere Kinder bereit für morgen zu machen.

Ja, das alles kostet Geld und der scheidende Bürgermeister wird nicht müde, auf seine Verdienste zu verweisen, was den Haushalt angeht. Ich will nicht diskutieren, ob die Konsolidierung der Gemeindefinanzen auf sinnvollem und nachhaltigen Weg geschehen ist. Aber jetzt ist Geld da und es wird Zeit, es in die Zukunft zu investieren und es nicht nur in Beton zu giessen.

Auf die Personen kommt es an

Oft heißt es, in der Kommunalpolitik käme es doch „nur“ auf die handelnden Personen an. Die Erfahrung sei entscheidend. Wie gut sich jemand im Ort auskenne. Wie bekannt die Person sei. Persönliche Beziehungen seien wichtig. Das Parteibuch, wenn die Person überhaupt eins habe, sei doch letztendlich egal.

Ist das so? Ich bin mir nicht (mehr) so sicher. Das alles spielt bestimmt eine Rolle. Aber ist es wichtig, ob jemand Erfahrung in der Verwaltung gesammelt hat? Nützlich allemal. Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister steht der Verwaltung vor, der Gemeinderat kontrolliert beide. Entsprechende Kenntnisse sind von Vorteil. Allerdings steht die Bürgermeister in oder der Bürgermeister nicht alleine da und zudem sind das Kenntnisse, welche sich auch aneignen lassen. Ungleich wichtiger als Fachwissen ist doch die Persönlichkeit, die jemand mitbringt. Was bringt Expertentum, wenn man sich nicht gegen die Verwaltung durchsetzen kann? Oder die Interessen der Gemeinde nicht überzeugend vertritt? Dazu gehört ein entsprechendes Auftreten, dazu gehören gesundes Selbstvertrauen, Organisationstalent und die Fähigkeit, Menschen zuzuhören, sie zusammenzubringen und moderieren zu können. Das muss einem Menschen gegeben sein. Es zu lernen ist nicht unmöglich. Aber es ist unheimlich schwer, dauerhaft gegen sein eigenes Naturell zu handeln.

Kürzlich habe ich in einem Gespräch den Satz gehört: „Wäre gut, wenn es jemand aus dem Ort wäre!“ Das denken sicherlich viele Wählerinnen und Wähler. Aber warum ist das so wichtig? Hat jemand aus dem Ort zwingend bessere Ideen? Nix gegen die Bürgerinnen und Bürger unserer schönen Gemeinde, aber woanders wohnen auch Leute mit guten Ideen. Klar schadet es nicht, wenn man sich im Ort auskennt und weiß, wer die Ansprechpartner*innen sind. Wenn man mit dem Vereinsvorsitzenden X im Sandkasten gespielt und mit Wirtin Y als Teenager im Strandbad die Ferien genossen hat. Wenn die Besitzerin des Familienbetriebs die beste Freundin der Cousine ist. Das öffnet Türen, schafft Beziehungen und erleichtert einige Dinge ungemein. Aber es schafft eben auch Verbindlichkeiten und Kanäle, die nicht für alle transparent sind. Interessenlagen vermischen sich und manches ist dann auch nicht mehr so eindeutig zu trennen. Der momentane Amtsinhaber kam übrigens auch „von außen“.

„Weißt Du, mir ist das egal, was der für ein Parteibuch hat. Hauptsache, der setzt sich für den Ort ein!“ Hab ich auch gehört. Kann man auch so sehen. Aber für mich ist das zu kurz gesprungen. Die Tatsache, welcher Partei jemand angehört oder von wem sie oder er im Wahlkampf offen oder verdeckt unterstützt wird, sagt einiges über diesen Menschen, seine Wertvorstellungen, seine Ideen und seinen Kompass aus. Was nämlich im Interesse der Gemeinde und der Menschen, die darin leben, ist, lässt sich nicht einfach und eindeutig beantworten. Entscheidungen sollten auf Fakten beruhen, aber die Interpretation dieser Fakten und das, was man daraus ableitet, wird sehr wohl von der politischen Einstellung und den individuellen Erfahrungen einer Person beeinflusst. Jemand mit grundsätzlich konservativer Einstellung wird sicher keine großen Veränderungen anstreben, sondern auf Bewährtes und Althergebrachtes bauen. Ob das angesichts völlig neuer Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, ob wir es wollen oder nicht, die richtige Vorgehensweise ist?

Was braucht es noch? Es braucht politischen Willen zur Veränderung. Bei der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister und bei allen Handelnden. Oft werden tausend Gründe gesucht, weshalb eine Idee nicht zu verwirklichen ist, weshalb dieses und jenes nicht geht, was für Widerstände es eventuell geben könnte. Ich ganz persönlich bin der Meinung, dass alles möglich ist, wenn der politische Wille dazu da ist. Wir müssen gestalten. Das große Rad drehen. Nicht nur an einzelnen Schräubchen feinjustierten. Aber das muss man wollen und genau das braucht es! Einen Penis braucht man dafür übrigens nicht.